Von
Silberhausen nach Freyburg Der Unstrutradwanderweg ist nur knapp
190 km lang, bietet aber viel Abwechslung und eine Menge unvergesslicher
Eindrücke. Die hier angesprochenen Unannehmlichkeiten durch Baumaßnahmen sind
inzwischen weitgehend vergessen.
Eine
reizvolle 190 km lange Radtour in Thüringen und Sachsen-Anhalt.
Entlang der Unstrut von
der Quelle bis zur Saale
Den trockenen Unstrut-Wein hatte
ich schon mal getrunken (für Liebhaber trockener Weine ein Genuss!) und
die Unstrutmündung nahe Naumburg während unserer Saale-Tour schon mal
aus der Ferne gesehen. Nun war es also an der Zeit, diesen Fluss, besser:
dieses Flüsschen, das im Eichsfeld (gesprochen: Eiksfeld) bei Kefferhausen
entspringt, mal
in Augenschein zu nehmen. Ein paar schöne Tage im September 2009 boten
sich dafür an.
Mit dem Zug gelangt man von Göttingen
aus in das Heilbad Heiligenstadt. Von dort fährt eine Privatbahn nach Silberhausen Bahnhof
– schön hoch gelegen, so dass es zunächst herrlich bergab geht in den
Ort Silberhausen. Von dort führt der Weg durch das stille Dorf und dann
auf einem asphaltierten Radweg nach Dingelstädt. Da Quellen nun mal höher
liegen als Mündungen, steigt der Weg ab Kefferhausen, aber die Anstiege
sind kurz und halten sich in Grenzen.
Übrigens liegt die Quelle der Leine nur wenige Kilometer hinter
Heiligenstadt mitten im Ort Leinefelde. Dort beginnt auch der Leine-Heide-Radweg,
der bis nach Hamburg führt.
Das Eichsfeld
Bei Wikipedia heißt es über das Eichsfeld, das vor allem durch
seine Wurstspezialität "Feldkieker" bekannt geworden ist:
"Seine besondere Prägung erhielt das Eichsfeld durch die
jahrhundertelange Insellage als Teil des Fürstbistums Mainz, worauf noch
heute das Mainzer Rad im Wappen hinweist. Dadurch blieb es nach der
Reformation fast ausschließlich katholisch und fand im gemeinsamen
Glauben und Brauchtum die Grundlage seiner Identität. Auch in der
DDR-Zeit blieb das kirchliche Leben im Obereichsfeld relativ intakt. Es
war die größte Region in der DDR mit einer mehrheitlich katholischen Bevölkerung."
Quelle
+++
Hervorzuheben ist, das auf einem
Großteil der Strecke eine Eisenbahnlinie in der Nähe ist, man also
jederzeit aus der Tour aus- und in die Bahn "einsteigen" kann.
Die Unstrutbahn hat natürlich ihre eigene Geschichte, wie der
offiziellen Homepage des Unstrutradwegs zu entnehmen ist:
"Mit der Inbetriebnahme der Unstrutbahn, der Eisenbahnstrecke
Naumburg-Artern am 1.10.1889 ging die Unstrutschifffahrt stark zurück.
Bereits 1912 existierte keine Werft mehr. 1937 gab es nur noch 11 Unstrutkähne.
Mitte der 50-er Jahre hatte auch der Kalk- und Rübentransport aufgehört,
und so verlor die Unstrut ihre wirtschaftliche Bedeutung. In unserem
Jahrhundert wurde der Frachtschiffsverkehr ganz eingestellt und seit 1967
wird die Unstrut offiziell nicht mehr als Wasserstraße geführt." Quelle
Zum Glück habe ich den „Radwanderführer
Unstrut-Radweg“ und einen Kompass dabei und merke in Dingelstädt daher
schnell, dass ich auf der Straße nach Kreuzebra gelandet bin. Also wieder
zurück und den richtigen Weg suchen, der nahe an der Unstrut aufwärts führt,
ein Viadukt unterquert und eine Autostraße und danach Kefferhausen
erreicht. Die Unstrutquelle ist problemlos zu finden. Auf dem Rückweg
kann man bedenkenlos auf der wenig befahrenen Mühlhäuser Straße
bleiben, das spart Zeit und Kraft. So geht es zügig in 20 Minuten zurück
nach Dingelstädt, wo der Unstrutradweg an der Brücke rechts weiterführt.
Bis zur Quelle waren es ab Bahnhof
Silberhausen exakt 7,4 km, wenn mein Tacho stimmt. Das Gleiche zurück,
und dann geht es auf dem ausgeschilderten Radweg gen Helmsdorf. Durch Wald
und Feld, vorbei an grasenden Schafen und weidenden Pferden. Ein
idyllisches Tal, in dem man außer dem Zwitschern der Vögel kaum Geräusche
wahrnimmt. Und die Wegebeschaffenheit ist toll: fast alles frisch
asphaltiert. Im Wald aber, direkt am Fluss, einem der schönsten
Abschnitte des gesamten Radweges, ist der Weg zunächst holprig, aber dann
schon wieder neu gemacht. Schotter zwar, aber der feineren Art und sehr gut befahrbar. Am
Radweg wird fleißig gearbeitet. Bestnote!
Frage: Wo bin ich?
Ich erreiche die Ölberg-Grotte, so sagt jedenfalls
ein Schild. Wie der zugehörige Ort heißt, verrät dem Radler jedoch
kein Schild, das muss man aus seiner Karte entnehmen. Diese Defizite
setzen sich fort, wie mir auch entgegenkommende Radler bestätigen. Jede
Autostraße hat ein Ortseingangsschild, Radwege fast nie!
Es geht auf und ab auf einer kleinen,
wenig befahrenen Straße. Bald taucht die Kirchturmspitze von Zella auf.
Im Ort bricht die Wegweisung ab, man muss aber auf der schmalen, von
Fachwerkhäusern gesäumten Hauptstraße bleiben. Der nächste Ort heißt Horsmar. Auch hier muss ein Stück geschoben werden. Aber alles erträglich,
trotz der an diesem Tag überraschend hohen Temperaturen (28 Grad). Und
noch einmal etwa 150 Meter bis Dachrieden hinauf. Ein Dach ist halt der höchste
Punkt ... In Dachrieden wurd gerade die Straße neu gebaut, aber als Radler
kam ich gut durch.
Zu viele Pfosten im Weg
Nun geht es zunächst auf nagelneuem Asphalt gen
Reiser und im Wald dann auf Schotter weiter. Hier herrscht Stille, außer
Vogelzwitschern und dem leisen Rauschen des Windes in den Baumwipfeln ist
kaum ein Geräusch zu hören. Urlaub für die Seele in einer tollen
Flusslandschaft! Kurz nach dem ersten Unstrut-Weinberg, in Sichtweite von
Reiser mit seiner Fachwerkkirche, kommen zwei Autos entgegen und wirbeln mächtig
Staub auf. Auffällig sind die vielen Pfosten auf dem Radweg, die oft viel
zu eng stehen. Mit Gepäck muss man schon genau „zielen“, um heil
durchzukommen.
Der September strengt sich richtig an und
lässt die Sonne vom Himmel brennen. Mein Wasservorrat ist erschöpft. In
Bollstedt kaufe ich bei der Gemeindeschänke eine Flasche gut gekühltes
Mineralwasser für 50 Cent. Hinter der Schützenanlage fahre ich fälschlicherweise
geradeaus weiter – mangels Beschilderung, merke aber dank meines
Kompasses schnell den Irrtum. Also zurück und gen Süden weiter.
Historisches Mühlhausen Bald
erreiche ich Mühlhausen, zwischen Hainich und Eichsfeld gelegen.
Die mittelalterliche Reichsstadt ist wegen ihrer elf gotischen Kirchen
schon von weitem gut zu erkennen. In dem Ort ist Kirmes, und "Weihnachtbäume",
wie ich glaube, schmücken
die Stadt. In Wirklichkeit sind es Kirmesbäume, wie mir ein freundlicher
Thüringer erklärt. Die Leute sind überwiegend sehr kommunikativ und
nett, wenn man sie nach irgendwas fragt. Eine tolle Stadt, um hier zu
übernachten und sie sich genauer anzuschauen! Und es gibt eine Menge zu
besichtigen.
Auf der Homepage der Stadt heißt es: "Die Stadt der Tore und der
Kirchen ist Mühlhausen. Es waren die 59 Türme der Kirchen und der
Stadtmauer, die dem Ort den Namen "Mulhusia turrita" - das
turmgeschmückte Mühlhausen gaben.
Im Mittelalter galt Mühlhausen nach Erfurt als bedeutendste Stadt Thüringens.
Die architektonische Vielfalt, ja die gesamte Stadtanlage mit der
erhaltenen und begehbaren Stadtmauer zeugen von der wirtschaftlichen und
kulturellen Bedeutung der einstigen Reichsstadt, wo sich heute der
geografische Mittelpunkt Deutschlands befindet.
Im Bauernkrieg war Mühlhausen Sammelpunkt der Aufständischen. In der fünfschiffigen
Marienkirche predigte der Reformator Thomas Müntzer. Zudem gilt Mühlhausen
als ein Zentrum protestantischer Kirchenmusik. Die dreischiffige
Hallenkirche Divii Blasii war Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach.
Die Stadtsanierung der letzten Jahre läßt die Altstadt in neuem Glanz
erstrahlen."
Quelle: www.muehlhausen.de
+++
Erstes Ziel am nächsten Tag ist Bad Langensalza. Über Altengottern und Thamsbrück bin ich bald
in diesem schmucken Kurort.
Die Kurstadt Bad Langensalza ist die
zweitgrößte Stadt im Unstrut–Hainich–Kreis und liegt an der Salza
– einem kleinen Flüsschen, das in die Unstrut mündet. Die Stadt trägt
seit 2002 den Titel "Rosenstadt".
Mit der Entdeckung der Schwefelquellen im Jahr 1811 begann die Entwicklung
Bad Langensalzas als Kurort. Beeindruckend ist die denkmalgeschützte
Altstadt, und die Themengärten wie der Japanische Garten, der
Rosengarten, das Arboretum, der Botanische Garten oder auch der Schlösschenparker
freuen Auge und Nase gleichermaßen.
Quelle: www.badlangensalza.de
Wer hier länger bleibt, kann viel
entdecken. Der Abend ist schön, das Licht zum
Fotografieren gut, so wandere ich noch ein gutes Stündchen durch den Ort,
ehe ich mich zum Abendessen bei einem Italiener gleich gegenüber dem
schmucken Rathaus entschließe. Am Abend gewinnt Deutschland in der
WM-Qualifikation gegen Aserbeidschan in Hannover mit 4:0.
Es gibt Tage beim Radeln, die viel länger werden
als gedacht. Am Unstrutradweg wird noch gebaut, und auch einige
Umgehungsstraßen entstehen in diesem Herbst 2009 und vermutlich auch in
den Jahren danach. Ursache mancher Radwege-Umleitungen. Leider ist auch
hier die Beschilderung kaum besser als beim Unstrutradweg selbst. So
verfahre ich mich an diesem Tag mehrfach, am heftigsten in Sömmerda und
Schönfeld. Manchmal kam ich nach einer Umleitung an einem Mast mit zwei
Unstrut-Radweg-Schilder: Ein Pfeil zeigt nach rechts, der andere nach
links. Was tun? Hilfreich wäre, wenn die Route flussabwärts in einer
anderen Farbe markiert würde als die flussaufwärts. Gelungen ist dies
etwa bei der Wellness-Radroute in Ostwestfalen, einem Rundkurs.
In Bad Langensalza
Aber zum Anfang: In Bad Langensalza,
dessen Altstadt ich ja am Abend zuvor schon kennen gelernt hatte, fahre
ich noch einen Teil des Stadtrings, um das letzte noch vorhandene
Stadttor, das Erfurter Tor, abzulichten sowie den Kurpark und einige
Prachtbauten, die zum Kurbetrieb gehören.
Die Ausfahrt aus der Stadt erfolgt
entlang des gluckernden und rauschenden Riedsgrabens. Bald bin ich wieder
inmitten der Natur und die einzigartige Stille dieser Region umfasst mich.
Hier kann man wirklich entspannen, wenn bloß nicht die Pensionsbesitzer
immer meinen, Gäste müssten mit irgendwelchen Privatradio-Dudelsendungen
bombardiert werden. Und das oft schon am frühen Morgen. In Nägelstedt überquere
ich die Unstrutbrücke und fahre über Kopfsteinpflaster, mit denen die
meisten Ortsdurchfahrten aufwarten, und anschließend gleich noch eine
Strecke bergauf. Vorbei an der Lohmühle mit fotogenen Stromschnellen
davor (kurzer Abstecher rechts hinter dem BIERGARTEN – jawoll, so etwas
gibt es am Unstrutradweg, aber leider auf den ersten zwei Dritteln ab
Quelle sehr selten!) geht die Fahrt flott über einen naturgebundenen,
prima befahrbaren Radweg weiter.
Durchs Naturschutzgebiet Am Ende des Naturschutzgebietes,
kurz vor Großvargula, befindet sich links des Weges ein erster Weinberg.
Das Wasserschloss in dem Ort finde ich nicht. Das Ortsausgangsschild weist
nach Döllstädt, aber der Weg führt trotzdem nach Herbsleben und
der Name Döllstädt taucht nie wieder auf. Merkwürdig!
Es geht bergauf, etwa 200 Meter schiebe ich, den nächsten Anstieg schaffe
ich per Pedale. Mir fällt auf, dass die Felder riesig sind und Windschutz
durch Hecken oder Baumhaine selten. Da wird bei Sturm eine Menge
wertvoller Erde einfach weg geweht. Vorbei an riesigen Spargelfelder
erreiche ich, auf dem Deich radelnd, Gebesee, danach Ringleben und
Haßleben
– lauter wenig aufregende Dörfer, die oft einen Anstieg vorgeschaltet
haben. Mal wieder fehlt ein Radwegweiser, aber ich habe ja Karte und
Kompass dabei. Im Jahr 2011 soll sich in Sachen Beschilderung übrigens
einiges vergessert haben.
Apropos Deich: Sieht die Unstrut im
Sommer auch harmlos aus, kann sie doch ganz schön biesterig werden, wie
der Homepage des Unstrutradwegs zu entnehmen ist: "Die Geschichte des
unteren Unstruttales ist auch geprägt von Überschwemmungen. Aus dem
Jahre 1746 ist bekannt, daß das Hochwasser ellenhoch auf den Wiesen stand
und das ganze Jahr darauf blieb, die angrenzenden Äcker unbrauchbar waren
und die Tiere auf den Weiden erkrankten. Das zweithöchste bekannte
Hochwasser war im Sommer 1871 und überflutete den Sommerdeich zwischen
Heldrungen und Memleben." Quelle
In Werningshausen gibt es einen kleinen
Laden, wo ich mir zwei Äpfel und eine große Flasche Wasser kaufe. Nach
der Pause muss ich eine Holperstrecke absolvieren und gelange dann an eine
Weggegabelung, die links ab als Unstrutradweg ausgewiesen ist. Auf den nächsten
mindestens drei, gefühlt aber zehn Kilometern „erfahre“ ich im
wahrsten Wortsinn alles, was die DDR je an Wegeuntergründen aus Beton
produziert hat. Eine echte Marterstrecke für Fahrrad und Fahrer. Aber der
neue Weg ist schon in Arbeit und dürfte spätestens zur Saison 2010
fertig sein (geplant war er laut Radwanderführerfür 2008). An der Brücke
nach Wundersleben treffe ich wieder auf die Unstrut, wo es auf Asphalt
etwas bequemer nach Schallenburg geht. 43 km der Tagesetappe sind
geschafft, laut Plan die Hälfte, aber es sollten am Ende zehn Kilometer
mehr werden.
Nach Sömmerda Sömmerda heißt die nächste Stadt, die
ich ausführlich besichtige und mich auch beim Bäcker in der Fußgängerzone
stärke. Bei einer Holzbrücke nahe der Mühle Dreyer geht rechts ab,
versteckt zwischen Bäumen, der Unstrutradweg weiter. Ich mag dem
Radwegweiser zunächst gar nicht glauben. Dann kommt es dicke: An der
neuen Umgehungsstraße ist der Unstrutradweg gesperrt und ich fahre daher
weiter geradeaus (wie beschildert). Dann enden die Schilder, wohin weiter?
Nach einigem Herumgekurve und Befragen
eines Passanten (die Leute geben immer freundlich Auskunft, manchmal
fragen sie mich, wenn ich mal wieder ratlos dreinschauen, sogar von sich aus, ob man Hilfe braucht!) radle ich auf dem
Radweg neben der Leubinger Straße nach Wenigensömmern. Dort endet der
Radweg, und nun heißt es „Augen zu und durch“ und auf der
verkehrsreichen Autopiste bis Leubingen durchhalten. Endlich wieder Ruhe.
Neben dem Flüsschen Lossa geht es zur Unstrut. Wieder eine Baustelle und
600 Meter Fahrt auf einer Wiese, danach auf dem Deich auf einem
geschotterten Radweg komfortabel weiter.
Steigungen vor Griefstedt und Büchel
kosten Kraft. Ab Griefstedt muss auf einer Straße gefahren werden. Nächste
Baustelle! Bald tauchen links die Ruinen der Sachsenburg und der Hakenburg
auf: die Thüringer Pforte. Ein schöner Anblick, ebenso wie ein paar
Kilometer weiter die imposante und wirklich sehenswerte Wasserburg in
Heldrungen, die mich an ebensolche Anlagen in Ostpolen
erinnert. mehr
Bei Wikipedia ist über diese Burganlage, die in kaum einem Bildband
über Deutschland fehlt, zu lesen: "Die Festung Heldrungen ist
eine Festung mit zwei Wassergräben, vier Vaubanschen Bastionen und fünf
Rondellen. ... Der Kern der Festung zeigt sich als bastioniertes
Schloss von 1519, während die umgebenden Wälle und die Bastionen von
1668 stammen. Das Haupttor der Festung wird wiederum von zwei mächtigen
Rundtürmen flankiert." Quelle
Auch vor Heldrungen gab es wegen des Baus
der Umgehungsstraße eine Umleitung. Es ist zum verrückt werden. Ein
alter Herr mit Fahrrad und markantem thüringischen Dialekt fährt vor,
damit ich aus der Stadt wieder zurück auf den Unstrutradweg finde. Danke
dafür!
Über Bretleben und Reinsdorf (das erste von zwei
Reinsdorf an der Unstrut) radle ich nach Schönfeld, wo es wieder eine
Umleitung gibt und ich mich mangels eindeutiger Beschilderung verfahre.
Wieder hilft ein netter Mensch (ganz von sich aus) und beschreibt mir den
rechten Weg nach Artern, wo mir ein älterer Herr grob den Weg zur Pension
beschreibt. Dank meines Google Maps-Ausdrucks finde ich auch schnell hin.
Der Magen knurrt, und auch der Durst ist auch riesig.
Nach dem Abendbummel in die Stadt erfahre
ich von meinem Wirt, dass das 1905/06 erbaute Rathaus die "einzige wirkliche Sehenswürdigkeit"
der Stadt und diese ansonsten ziemlich tot sei. Diesen Eindruck habe ich
zunächst auch gewonnen. Und Lampen am Fahrrad scheinen nur drei von zehn Radlern zu
habe, der Rest fährt „unsichtbar“. Nur einer hatte ein
funktionierendes Rücklicht.
Das Rathaus ist eingezwängt von den umgebenden Häusern. Auffällig ist
der große Roland mit den Gesichtszügen Bismarcks. Er wurde 1994 neu
geschaffen, da der Vorgänger nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand. Im
Rathaus von Artern befindet sich das größte Wandgemälde in Nordthüringen,
gemalt von Otto Engelhardt-Kyffhäuser. mehr
Optisch sehr gelungen ist übrigens die Homepage der Stadt Artern unter http://www.artern.de/
- dort wird auch auf einige sehenswerte Anlagen der besonderen Art
hingewiesen:
"Der Arterner Parkfriedhof ist einer der Schönsten
Anlagen in Deutschland.
Mit
der Solquelle und dem vielfältigen Bestand an Bäumen und anderen Gewächsen
ist er ein Anziehungspunkt der Stadt."
Ebenfalls besuchenswert ist der Salinenpark.
Denn Artern ist eine alte Salzstadt. Über die Salzgewinnung
wird bereits im 6. Jahrhundert berichtet. Aber erst im 15. Jahrhundert
erlangte sie größere Bedeutung. Der Forscher Johann Gottfried Borlach,
der auch in Bad Dürrenberg an der Saale seine Spuren hinterlassen hat,
errichtete 1727 in Artern die neue Saline.
Zur Unstrutmündung an die Saale Vom Quartier fahre ich noch mal in die Stadt, um
wenigstens das Rathaus zu fotografieren. Die „Fußgängerzone“ scheint
sich seit DDR-Zeiten kaum verändert zu haben. Über die Wasserstraße bin
ich schnell wieder an der Unstrutbrücke. Kurz danach kreuzt der
Unstrutradweg und ich biege links ein. Tagesziel ist die Unstrutmündung
bei Naumburg, rund 65 km entfernt.
Auf feinem Schotter geht es gut voran.
Nach 6 km passiere ich bei Ritteburg eine idyllisch gelegene Pension, wo
ein asphaltierter Radweg beginnt, auf dem es sich nun vorzüglich radeln lässt.
In Bottendorf informiert eine
Schautafel über die Geschichte der dortigen Kupferhütte, wo man auch
übernachten oder zelten kann (siehe Link oben). Ein
Förderverein informiert auf seiner Homepage
über diese historische Anlage, die bei meinem Besuch leider geschlossen
war. Vom 15. bis 18. Jhd. wurde
hier intensiv Kupferschieferbau betrieben. Zugleich war die Kupferhütte
Navigationszentrale für den Ausbau der Unstrut, später wurde sie
eine Fabrik (Sirup, Zucker, Arak, Kaffeeersatz), eine der ersten Fabriken
dieser Art in Deutschland.Quelle
Über Rossleben, dem
nächsten Ort, thront majestätisch das Gebäude einer Klosterschule.
Die Klosterschule Roßleben ist die älteste überkonfessionelle
Privatschule mit Internat in Deutschland, wie uns die Homepage verrät.
Sie wurde 1554 von Heinrich von Witzleben in einem aufgelösten Kloster
gegründet. Witzleben wollte allen Kindern der Region unabhängig von
ihrer sozialen Herkunft den Zugang zu Bildung ermöglichen. Heute wird die
Schule immer noch von einem Witzleben geführt. Quelle
Nun führt der
erstklassige Radweg weg vom Fluss an den Flutkanal. An der Egelseebrücke
bietet dieser Kanal, der sich bei Memleben wieder mit der Unstrut vereint,
ein schönes Fotomotiv. Bei Kilometer 20,5 endet der Asphalt zunächst.
Tipp: Direkt nach Memleben
Zum Glück treffe ich am Flutkanal einen Radler aus
der Gegend, der sich auskennt und mir so eine im Radwanderführer
vorgesehene Kraxelei zur Burgruine Wendelstein erspart. Ich radle also,
wie von dem Mann empfohlen, nicht über die Brücke, sondern ab der Brücke
unterhalb der Burgruine die 3 km bis nach Memleben, biege gleich hinter
der dortigen Brücke in die „Unstrutpromenade“ ein und treffe erst
dann wieder auf ein Schild des Unstrutradwegs. Hinter dem Kloster mit
Kaiserpfalz geht es durch eine Pforte ums Kloster herum zu einer Brücke.
Und dort beginnt ein wunderbarer Radweg durch ein weiteres schönes Stück
Unstruttal, garniert mit steil aufragenden Felsformationen.
Kloster und Kaiserpfalz Memleben Bei Wikipedia heißt es dazu "Die Pfalz Memleben war im
10. Jahrhundert eine bedeutende Pfalz unter den ostfränkischen Königen
Heinrich I. und seinem Sohn Otto I., die beide auch hier starben. Sie lag
in der Nähe von Memleben
im westlichen Burgenlandkreis unweit von Nebra in Sachsen-Anhalt."
Mehr unter http://de.wikipedia.org/wiki/Memleben
und www.kloster-memleben.de/
Die Himmelsscheibe von Nebra
Nach 30 Tageskilometern erreiche
ich Wangen. Dort ist das Besucherzentrum Arche Nebra ein Besuchermagnet.
Denn hier ist die ganz in der Nähe, auf dem Mittelberg, gefundene
„Himmelsscheibe“ ausgestellt, allerdings nur als Kopie. Das Original
befindet sich im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. Wer den 700 Meter langen Aufstieg vom
Autoparkplatz nicht schafft, kann einen Bus benutzen. Ich schiebe hinauf
und suche einen sicheren Fahrradabstellplatz. Da es keine abschließbaren
Boxen gibt und mir die Fahrradbügel auf der Wiese zu unsicher erscheinen,
parke ich mein Rad in einer Ecke neben dem Eingang. Ich habe es noch nicht
ganz abgeschlossen, da taucht eine Dame auf und legt mir freundlich nahe
(„Mir … egal, aber die Chefs …“) , das Rad doch wieder zu
entfernen. So hole ich mir noch ein paar Prospekte aus der Vorhalle und
lasse die Arche in flotter Abfahrt schnell hinter mir. 7,50 Euro gespart
…
Infos:www.himmelsscheibe-erleben.de
Auf der Homepage ist zu lesen: "Ein
goldenes Sonnenschiff scheint über dem idyllischen Unstruttal zu
schweben. Das spektakuläre Gebäude birgt das Besucherzentrum
Arche Nebra. Es befindet sich am Fundort der Himmelsscheibe von Nebra.
Sie ist eine der größten archäologischen Sensationen des
vergangenen Jahrhunderts. 1999 wurde sie von Raubgräbern auf dem
nahe gelegenen Mittelberg
entdeckt. Die über 3.600 Jahre alte Bronzescheibe zeigt weltweit die älteste
konkrete Darstellung des Kosmos. Sie hat unser Bild von der Bronzezeit
revolutioniert."
Von Wangen geht´s weiter am Fluss
entlang und über die Brücke nach Nebra, vorbei am Hinweisschild
„Weinstraße Saale-Unstrut“, an der Ortsausgangsstraße ein Stück
bergauf und auf halber Höhe wieder links an den Fluss. Nach einem kurzen,
steilen Anstieg steht der Radler vor einem wuchtigen Felsmassiv, an dem
sich schön die Gesteinsschichten erkennen lassen. Auf der anderen Seite
der Unstrut thront Schloss Zingst über dem Tal und gleich daneben die
Vitzenburg.
Bald erreiche ich über eine Brücke Reinsdorf mit seiner markanten
Klosterkirche. Hier beginnt sichtbar am anderen Flussufer das
Weinanbaugebiet. Karsdorf wird von den mächtigen Anlagen der
Zementindustrie überragt. Zu DDR-Zeiten war die Luftverschmutzung stark.
1990 hat die Firma Lafarge das Werk übernommen und zu einer der
modernsten und leistungsfähigsten Anlagen ausgebaut. Kurz hinter Karsdorf
ist ein schon fertiges Teilstück der ICE-Talbrücke zu erkennen. Gleich
neben dem Radweg wird für die Fundamente eines weiteren Pfeilers tief
gebohrt.
Karsdorf hat knapp 2000 Einwohner,
gehört zum Burgenlandkreis mit Amtssitz Freyburg und damit zum Bundesland
Sachsen-Anhalt.
Bei der Imbissgaststätte „Zum Strumpf“ gleich neben dem Radweg raste
ich. So preiswert habe ich selten gegessen – und geschmeckt hat
es außerdem noch. Im Ort bietet der backsteinerne Landgasthof eine
Alternative mit Übernachtungsmöglichkeit.
Wein und Kopfsteinpflaster
Durch Burgscheidungen rumpelt mein Fahrrad auf Kopfsteinpflaster hindurch,
wie in den meisten Ortsdurchfahrten. Dabei handelt es sich um einen
historisch bedeutenden Ort, wie bei Wikipedia zu lesen ist: "Der über
den Ort ragende Burgberg ist bereits seit 3000 v. Chr. besiedelt. In der
Zeit der Völkerwanderung war hier eine wichtige Burg, möglicherweise
sogar eine Residenz der Thüringer,
deren Reich sich von der Elbe bis zur Donau bei Regensburg
erstreckte." Quelle
Besonders schlimm ist es mit der
Pflasterei in Dorndorf,
wo der Leiter des Tiefbauamtes anscheinend gute Verbindung zur
Pflasterindustrie besitzt. Ständige Pflasterriegel auf der NEUEN
Ortsdurchfahrt gehen durch Mark und
Bein und zeugen davon, dass Fahrradfahrer hier auf der Liste ganz hinten
stehen. Also schnell weiter nach Laucha mit seinem bemerkenswerten Rathaus
und dem Glockenmuseum.
Bei Wikipedia heißt es zu Laucha: „Zu
den Sehenswürdigkeiten der Stadt gehört das Glockenmuseum,
welches unter Glockengießermeister Ulrich 1732 als Glockengießerei gegründet
und bis 1911 auch als solche betrieben wurde. In diesem Zeitraum wurden
mehr als 5000 Bronzeglocken gegossen. Erwähnenswert sind noch die Kirche
St. Marien, ein einheitlicher spätgotischer Bau aus dem 15. Jahrhundert,
das Rathaus von 1543 mit der später angebrachten doppelläufigen, überdachten
Freitreppe und alte Portale an den Bürgerhäusern. Die 1112 Meter lange
Stadtmauer umgibt den historischen Stadtkern und ist mit einem von ihren
drei Toren noch gut erhalten.“
In diesem Tore – dem Obertor – wurde
im ehemaligen Torhaus eine Heimatstube eingerichtet. Die Unstrut, seit dem
Mittelalter schiffbar, war einst Mittelpunkt für den Handel. Auf ihr
wurden noch bis 1950 Güter transportiert. Heute ist es ein Erlebnis, die
Unstrut mit Paddelbooten, Ruderbooten, Kanus und Motorbooten zu befahren.
Seit Saisoneröffnung 1996 stehen dem interessierten Touristen
Ausflugsdampfer für eine Fahrt auf der Unstrut zur Verfügung.“ Quelle
Unstrut-Blick zur Neuenburg.
Weinfest in Freyburg
Auf ausgewaschener Betonpiste rumpelt mein Rad
weiter nach Weischütz – auch hier Pflaster ohne Ende – und anschließend
ein Stück bergauf über Zscheiplitz nach Freyburg. Schon von weitem grüßen
die Neuenburg und der mächtige Burgfried den Radwanderer. Imposant sind
die vielen Weinberge, die in der Herbstsonne leuchten. Im Ort geht es ein
wenig hektisch zu, denn hier wird gerade für das Weinfest aufgebaut.
Meine Rundfahrt gibt ein paar Einblicke in das Städtchen. Freyburg ist
das Zentrum des Weinanbaugebietes Saale-Unstrut.
Von hier stammt der auch vor der Wende in Westdeutschland schon bekannte
Rotkäppchen-Sekt.
Bei Wikipedia heißt es: „Die Geschichte Freyburgs beginnt mit der um
1090 auf einem Berg östlich der heutigen Stadt erbauten Neuenburg,
einer weiträumigen romanischen Anlage mit Burgfried. Der Ort Freyburg
wurde 1203 erstmals urkundlich erwähnt und erhielt 1261 Stadtrecht.
Freyburg hat eine mehr als 1000-jährige Geschichte des Weinbaus, ist seit
1999 Staatlich anerkannter Erholungsort und darf sich zudem Jahn- und
Weinstadt nennen, da Friedrich Ludwig Jahn, der Turnvater Jahn, in
Freyburg gestorben ist.“ Quelle
Markanteste Gebäude sind das recht schlicht gehaltene Rathaus und die
gotische Marienkirche. Die Westtürme, der Vierungsturm und das Querschiff
lassen sich auf das 13. Jahrhundert datieren, der gotische Chor wurde etwa
um 1400 errichtet.
Fährüberfahrt über die Saale an der
Unstrutmündung.
Freyburg ist auch ein touristisches Zentrum, wie die vielen Besucher schon
an diesem Freitagmittag belegen. Unstrut-Radler mit großem Gepäck sind
mir allerdings auf der gesamten Tour nur zwei begegnet. Nun geht meine
Unstrut-Radtour auf die Zielgerade. An der Fähre kurz hinter dem
Max-Klinder-Weinberg mündet die Unstrut in die Saale. Viele Tagesradler
setzen hier über (1,50 Euro inkl. Fahrrad). In dem originellen Biergarten
mit „Ostbier“ ist es merkwürdig leer, obwohl rundum jede Menge Leute
unterwegs sind – ob es die Westpreise sind?
Oder setzt man hier doch eher auf Wein? Denn schließlich sind wir ja hier
an der Weinstraße Saale-Unstrut. Freyburg-Porträt
von Rolf-Erich Schwarz
An der Unstrut-Mündung.
Auf der Homepage des Saale-Unstrut-Tourismus heißt es:
"Vom 1000-jährigen Weinanbau und wechselvoller Geschichte geprägt,
entstand an Saale und Unstrut eine einmalige Kulturlandschaft. Die 1993 eröffnete
Weinstraße führt an reizvollen Tälern, Obstplantagen und Weinbergen
entlang. .. Auf steilen Terrassen wächst auf 640 ha der Wein, er wird
vorwiegend trocken ausgebaut. Die Winzer bieten ihre Weine an und führen
gerne durch den Weinberg. Alljährlich laden zahlreiche Weinfeste die
Besucher zum Feiern und Probieren ein. An die festgelegte Route der
Weinstraße angebunden befinden sich die sogenannten Weinbauinseln.
Quelle: www.saale-unstrut-tourismus.de
Anfang oder Ende des Unstrut-Radweges
bei
Naumburg - je nachdem, von wo man kommt.
Jede Radtour geht einmal zuende: Bei der nächsten Brücke endet der Unstrutradweg nach offiziellen 187,7
Kilometern. Ich radle noch vorbei an Naumburg bis Weißenfels und steige
dort in den Zug, der mich nach Halle bringt, von wo eine direkte
Verbindung nach Hannover besteht. Den Saale-Radweg
kenne ich, haben wir ihn doch von Hof bis Barby 2005 schon erradelt.
Zuschrift vom 19. Januar 2010:
Ich darf Ihnen mitteilen, dass die Beschilderung in Thüringen zum
Jahresende 2009 auf den aktuellen Stand gebracht wurde und viele (große)
Baustellen am Radweg abgeschlossen werden konnten. Allerdings werden uns
die Baustellen zum Autobahnbau A71 und der ICE-Neubaustrecke noch etwas
erhalten bleiben.
Mit Ihrer Erlaubnis werde ich einige Auszüge den regional
Verantwortlichen zur Kenntnis geben, vielleicht können wir kurz- oder
mittelfristig den einen oder anderen Mangel beseitigen.