Mauerradweg (4)
Von
Hohen Neuendorf zum Ostbahnhof, 40 km
Der
Mauerradweg war zum Zeitpunkt unserer Tour noch nicht ausgeschildert.
Inzwischen ist das anders: „Der Weg ist ausgeschildert und in mehrere
Etappen aufgeteilt. Ein großer Teil des Wegs verläuft entlang der
ehemaligen Außengrenze zwischen Berlin und dem Bundesland Brandenburg.“
Quelle
Ab und zu sehen wir
zwar Radwegweiser, wissen aber nie genau, zu welchem Radweg sie gehören.
So bleibt das Fahren nach Karte und Kompass die beste Lösung. Und die hat
uns noch nie im Stich gelassen. Dennoch verfahren wir uns, nachdem wir den
(ehemaligen Grenz-) Turm der Deutschen Waldjugend passiert haben und
landen an einem Bach in der Bieselheide
– eine idyllische Gegend, die wir anders nie entdeckt hätten.
Heutzutage ist der Mauerradweg natürlich wesentlich besser zu befahren und
auch besser ausgeschildert.
Also: den einen
Kilometer zurück. Dann finden wir den im Bikeline-Führer beschriebenen
Geierpfad, der uns nach Glienicke/Nordbahn
geleitet. Schöne Wohngebiete, ruhige Lage.
Beim Buddhistischen
Haus an der Enkircher Straße (Berlin West) verweilen wir und
lesen auf einer Tafel, dass der Arzt Paul Dahlke einst hier wohnte.
Es ist schon ein
Kreuz. So ganz sicher ist man nie, ob man sich nun im ehemaligen West-
oder Ostteil der Hauptstadt befindet.
Besonders absurd war
die Situation an der Straße Sandkrug, die wie ein Entenschnabel in den
Westteil ragte und zu Mauerzeiten den Verkehr auf der Oranienburger Chaussee zu zeitraubenden Umwegen zwang.
Wir jedoch schieben
einfach unser Rad über ein brachliegendes, sandiges und steil abfallendes
Grundstück, durchqueren ein kleines Wäldchen und stehen auf der
Burgfrauenstraße. Ostwärts führt nun der Radweg an Hermsdorf
vorbei, dann auf Stegen entlang des Tegeler
Fließes bis Lübars -
einst Berlins kleinstes Dorf.
Ich erinnere mich
noch gut an eine TV-Liebeserklärung des Liedermachers Reinhard May an
diesen heimligen Ort in der nördlichsten Spitze West-Berlins, wo er eine
zeitlang lebte.
Lichter der
Großstadt
Damit haben wir den landschaftlich attraktiven
Teil des Mauerradweges hinter uns gebracht. Entlang der „Heidekrautbahn“
und des Friedhofes Rosenthal führt
der Weg neben Gleisen. Rechts sehen wir das Häusermeer des Märkischen
Viertels, das inzwischen viel farbenfroher daher kommt als bei
meinem ersten Besuch 1972.
Aus der Ferne grüßt
der Fernsehturm am Alexanderplatz. Auf dem Wilhelmsruher
Damm signalisiert eine eingelassene Metallplatte mit Inschrift
innerhalb einer Reihe Pflastersteine den Mauerverlauf. Wir radeln weiter
vorbei am S-Bahnhof Wilhelmsruh,
wo sich unsere Versorgungsengpässe mangels Geschäften bzw. Kiosk nicht
beheben lassen. Daher radeln wir die Kopenhagener Straße nach Wilhelmsruh
hinein. Dort gibt es eine große Auswahl an Geschäften.
Wieder auf dem
Mauerradweg, folgen wir nun der S-Bahn-Strecke ein ganzes Stück auf einem
recht gut befahrbaren Radweg.
Nur die vielen
Glassplitter, die uns in Berlin manchen Schrecken eingejagt haben, stören
das positive Bild. Wir müssen einen wohl gesonnenen Beschützer als
Begleiter gehabt haben, denn alle blieben von Pannen verschont. Schon ein
kleines Wunder. Nach Durchquerung des Bürgerparks in Pankow
passieren wir einen Kinderbauernhof
und anschließend den S-Bahnhof Wollankstraße.
Die Häuser im Sperrgebiet hatten durch die Mauer besonders gelitten,
manchen sieht man es noch an, andere sind bereits fein heraus geputzt.
Pankow wurde in der Zeit des Kalten
Krieges als Synonym für „Regierungssitz der sowjetisch besetzten
Zone“ benutzt.
Nun nähern wir uns
allmählich den „historisch bedeutenden“ Orten. Über die Brehmestraße
radeln wir nach Pankow hinein
und zwischen S-Bahn-Gleisen und der Gartenkolonie Bornholm I zur berühmten
Bösebrücke.
Hier öffneten die Grenzer in der Nacht vom 9. zum 10. November 1989 den
ersten Grenzübergang. Die Bilder hat wohl jeder schon mehrfach im
Fernsehen verfolgt. Heute rollt fast unaufhörlich der Verkehr über die
Brücke, die über einen Fahrstuhl an die darunter liegende S-Bahn-Station
Bornholmer
Straße angebunden ist. Ein langes Stück der Hinterlandmauer
entlang der Bornholmer verhindert, dass übermütige Touristen die steile
Böschung hinab stürzen.
Eine lange Rampe,
der Schwedter Steg, ermöglicht
es Radfahrern und Fußgängern, zügig weiter südwärts mitten durch den
Mauerpark hindurch Richtung Bernauer
Straße zu rollen. Vom dort jahrzehntelang an der Buswendeschleife
stehenden Aussichtspodest habe ich so manches mal hinüber nach Ost-Berlin
und zum Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion
geschaut, das mit der Max-Schmeling-Halle,
wo die Basketballer von Alba Berlin spielen, inzwischen einen prominenten
Nachbarn bekommen hat. Die Halle war für die bekanntlich nicht nach
Berlin vergebenen Olympischen Spiele 2000 errichtet worden.
Der Übergang von
der Bernauer in die Eberswalder
Straße verursacht bei mir noch heute ein kribbeliges Gefühl.
Bernauer Straße
Aber wir wollen ja in die andere
Richtung, entlang der Bernauer Straße zum Nordbahnhof
- einst Stettiner Bahnhof. Hier spielten sich nach dem mitten in der
Nacht begonnenen Mauerbau am 13. August 1961 unbeschreibliche menschliche
Dramen ab. Erinnern wir nur an Ida Siekmann, die bei der Flucht aus dem
Fenster aufs Pflaster von Wedding stürzte und starb. Oder an den
Grenzsoldaten Conrad
Schumann, dessen Sprung über den Stacheldrahtverhau an der Ecke
Bernauer/Ruppiner Straße in die Geschichte einging. Nach der Wende beging
Schumann Selbstmord.
Auch mehrere
Fluchttunnel wurden hier in der Bernauer
Straße gegraben. So war es eine Pflicht, an diesem schicksalsgeprüften
Ort ein Mahnmal zu errichten. Neben den Gedenkkreuzen für die Maueropfer
wurde ein Stück Mauer wieder aufgebaut anstatt ein Stück im
Originalzustand stehen zu lassen. Doch die Originalmauer war längst von
den so genannten Mauerspechten zerstört worden, weil sich die zuständigen
Stellen wieder einmal nicht rechtzeitig hatten einigen können. An Stelle
der erst 1985 gesprengten Versöhnungskirche, die mitten auf dem
Grenzstreifen stand, befindet sich heute ein ovaler Lehmbau. Eine
Bildergalerie erinnert an die Geschichte der Bernauer Straße.
Am Ende der Bernauer
Straße steht der 28 Jahre lang zugemauerte Eingang zum Nordbahnhof. Wir
biegen rechts in die Gartenstraße, unterfahren eine verrostete Brücke
und biegen links in die Liesenstraße. Wir wundern uns, wie viele
Schlenker doch diese Mauer gemacht hat. Zum Beispiel an der Chausseestraße.
Als Besucher ist einem das früher gar nicht richtig bewusst geworden. In
der Kieler Straße steht ein
denkmalgeschützter Wachturm vor Hochhäusern. Er wirkt heute wie ein
Spielzeug - und war jahrelang eine Bedrohung für jeden, der von Berlin
nach Berlin wollte.
Am Schifffahrtskanal entlang, auf dem sich gerade zwei Lastkähne
tuckernd begegnen, radeln wir über den 1748 geweihten Invalidenfriedhof,
biegen hinter dem hochmodernen Bau des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Technik - auf dem Dach eine riesige Solaranlage - am früheren Übergang
Invalidenstraße
links in die Invalidenstraße und rollen anschließend auf der Luisenstraße
mitten durch den Komplex von Humboldt-Universität, Krankenhaus Charité und Max-Planck-Institut. Rechts in die Reinhardstraße
einbiegend, erreichen wir das Regierungsviertel. Mit dem Rad hat man
schnell die wichtigsten Gebäude aus der Nähe angeschaut, einen Blick auf
die Menschenschlangen vor dem Reichstag
geworfen und über die immer noch zahlreichen Kräne gestaunt.
Reichstag und
Potsdamer Platz
Vorbei am Brandenburger Tor
radeln wir auf der Ebertstraße südwärts zum Potsdamer
Platz, suchen das im Vergleich mit seinen Nachbarn winzig wirkende
Weinhaus Huth, das viele Jahre lang als einziges Bauwerk die Ödfläche
des Potsdamer Platzes überragte. Die Nachbildung der ersten Ampel, das
Cineplex Kino, Sony-Center, Daimler-City u.s.w. sind schnell abgeradelt.
So recht kann sich niemand mit dieser für uns Naturliebhaber abstoßenden
Form urbaner Bebauung anfreunden.
Trotzdem: der Anhalter
Bahnhof, der Martin-Gropius-Bau
in der Zimmerstraße mit der
Mauer- und Nazi-Gedankausstellung und dem Peter-Fechter-Denkmal
gehören zum Pflichtprogramm. Und natürlich der Checkpoint Charlie -
alles historisch bedeutende Orte dieser Tour.
Ein schneller Abstecher über die Friedrichstraße zum
Gendarmenmarkt erlaubt den Gruppenmitgliedern, die hier noch nicht waren,
ein paar Wissenslücken zu schließen. Es gibt ja so viel zu sehen in
Berlin. Und weil Hunger und Durst quälen, radeln wir die Friedrichstraße
noch ein bisschen weiter hinauf, vorbei am Bahnhof Friedrichstraße und
dem Tränen-Palast, queren die Spree und biegen in den Schiffbauer Damm
ein, wo wir bei der aus Bonn übergesiedelten „Ständigen Vertretung“
in der Märzsonne ein Kölsch und den „Halven Han“ genießen, einen Käsehappen
auf rheinische Art.
Palast der Tränen
Der denkmalgeschützte Tränenpalast,
die ehemalige Ausreisehalle der Grenzübergangsstelle
im Bahnhof
Friedrichstraße innerhalb Ost-Berlins,
ist heute eine Dokumentationsstätte. Quelle: Wikipedia
Nun geht die Tour
rund um Berlin (West) zuende. Am Axel-Springer-Haus
vorbei zackt sich der Mauerradweg südostwärts bis nach Kreuzberg hinein. Vom ehemaligen Übergang Prinzenstraße ist nichts mehr zu sehen. Eine Infotafel erinnert
daran, dass man von der U-Bahn-Station Moritzstraße
nach nur wenigen Metern gen Norden an die Mauer stieß. Beim Künstlerhaus
Bethanien biegen wir auf den Mariannenplatz,
bestaunen einen übrig geblieben Bewohner aus Mauerzeiten, der 2003 immer
noch in seiner zusammengeschusterten Bretterbehausung mit beigestelltem
Bus und Wohnwagen lebte, und
suchen uns am Heinrichplatz ein Café, wo wir die Zeit bis zur Bahnabfahrt
im Warmen verbringen können.
Natürlich ist
es ein typisches Kreuzberger Lokal, die Rote Harfe. Die Preise sind
allerdings nicht unbedingt auf Studenten und Niedriglohnbezieher
zugeschnitten - nur das Interieur. Trotzdem: Das Lokal hat eine ganz
eigene Atmosphäre. Groß ist der Kontrast zum neuen Ostbahnhof, dem Start
und Ziel unserer Radreise.
Radwanderführer
Berliner Mauer
Teil
1: Vom Ostbahnhof nach Rudow
Teil
2: Von Rudow nach Geltow
Teil
3: Von Geltow nach Hohen Neuendorf
Links
Mauerradweg
Berlin (offizielle Seite)
Diaschau
zur Berliner Mauer mit historischen Fotos
Video
Berliner Mauer 1971-1993
Berliner Mauer
Tourenbericht
Berliner Mauerweg (Wiki)
Mauer in Berlin
Übersicht
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