Diemel - die
Altmühl des Nordens
Ein
verlängertes Wochenende eignet sich ideal, um die Diemel zu erradeln. Der
nur rund 110 km lange Fluss entspringt bei Willingen (Hessen) auf gut 650 m Höhe
und schlängelt sich durch eine bezaubernde Landschaft über Warburg
(Nordrhein-Westfalen) bis nach Bad
Karlshafen an der Weser. Im unteren Teil fanden wir steile Felsen und eine
Fauna, die uns stark an das Altmühltal erinnerten. Tourlänge: 125 km.
Anreise
per Bahn
Wer
nach Willingen möchte, muss in Brilon-Wald umsteigen, was jedoch nur
über Treppen erfolgen kann. Daher schoben die meisten Radler ihre schwer
bepackten Räder einfach über die Gleise. Auch die rund 120 Fahrgäste,
die aus dem Zug aus Kassel-Wilhelmshöhe quollen und den kleinen
Triebwagen "verstopften", nahmen zum Großteil den direkten Weg.
Kegelklubs und sonstige Vereine sorgten für einen entsprechenden
Lärmpegel: Sie alle wollten in Willingen, dem "Ballermann" des
Sauerlandes, mal so richtig die Sau rauslassen. Wir wollten nur Ruhe ...
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"Wer trampeln kann, kann auch tragen" - Antwort eines
Bahnbeamten auf die Klage eines Radlers, dass der Aufstieg
in den Zug über fünf (!) Stufen sehr beschwerlich sei.
aufgeschnappt im Bahnhof Warburg beim Umsteigen
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Nach nur einer Station leerte sich der Triebwagenzug schlagartig. Ein
Dutzend Kleinbusse holte die Trink-Sportler ab, und wir rollten durch den
Ort zunächst abwärts dem Viadukt entgegen. Ein Schild weist dort den Weg
vorbei an der Sprungschanze zur Diemelquelle aus, und bald hatte uns die
Waldeinsamkeit ergriffen. Geschlagenes Holz am Wegesrand dokumentiert den
hohen Stellenwert dieses Naturgutes, das auch von Papierfabriken entlang
unseres Weges intensiv genutzt wird.
Quellen liegen bekanntlich höher als Flussmündungen, und so ging die
Fahrt zunächst immer leicht bergauf mit nur wenigen steileren Anstiegen.
Der Ausblick über die Wipfel des Mittelgebirges, in denen sich
allmählich die letzten Nebel auflösten, faszinierte uns drei Radler aus
dem flachen Norden.
Von
der mit Felssteinen eingefassten offiziellen Quelle, die wir nach gut 11
km Fahrt erreichten, radelten wir die "Talvariante" bergab und
pausierten kurz darauf am "Skilift Kahler Pön", der zum
Ortsteil Usseln gehört. Mit den freundlichen Wirtsleuten beim Hüttenschorsch
kam schnell ein
Gespräch zustande und wir erfuhren unter anderem, dass der Diemelradweg
noch eher als Geheimtipp zu betrachten ist.
Natur
pur und Ruhe
Wer Ruhe liebt und die Natur, ist am Diemelradweg bestens aufgehoben. Was
gibt es schöneres, als in einem grünen Tal die Vögel zwitschern und
nebenan die Diemel rauschen zu hören. Gelbe Farbtupfer steuerten riesige
Rapsfelder ebenso bei wie die von Löwenzahn bestandenen Wiesen, auf denen
braune Kühe sich an dem fetten Gras gütlich taten.
Der als "familienfreundlich" titulierte, hervorragend
ausgeschilderte Radweg birgt zwar manche Steigung, aber die meisten sind
recht kurz und nicht zu steil. Nur nach Padberg hinauf muss man sich etwas
mehr quälen.
Am frühen Nachmittag erreichten wir nach einer gemütlichen Tour mit
vielen Pausen den Diemelstausee. Die Mittelgebirgsluft und das
"andere" Klima bewirkten, dass wir alle drei eine gewisse
Müdigkeit verspürten, obwohl wir nur 30 km zurück gelegt hatten. So
bezogen wir unser Quartier in Heringhausen und ließen die Fahrräder in
der Garage stehen. Die Wanderung durch den kleinen Ort, dessen Name nicht
vom gleichnamigen Fisch kommt, sondern etwas mit "Heer" zu tun
hat, führte schnell zur Gaststätte Seeblick, wo man zu zivilen Preisen
ausgezeichnet speisen kann.
Der "Verdauungsspaziergang" entlang des Ufers führte uns vorbei
an der mit 26,42 Metern "Längsten Bank Hessen".
Auf nach
Warburg
Am nächsten Morgen radelten wir zunächst durch die Baustelle der neuen
Seeumfahrung und erreichten bald die Staumauer. Hinter Marsberg, einem
lebendigen, zur Pause einladenden Städtchen, weitet sich das Diemeltal
und der durchweg asphaltierte Weg führt meist eben enlang genau der
Bahnlinie, auf dem wir einen Tag zuvor erst angereist waren. Außer auf
dem letzten Teilstück durch den Wald bei Helmarshausen (bei Nässe
glitschig!) ist der
Diemelradweg in einem vorbildlichen Zustand und unbedingt empfehlenswert.
Aber:
Bitte nicht weitersagen, damit man auch weiterhin die Ruhe in der Natur so
ungestört genießen kann.
Marsberg: In Obermarsberg soll mit der Irminsul
auf der Eresburg
das wichtigste Heiligtum der Sachsen gestanden haben. Nach deren Zerstörung
durch Karl den Großen entstand an dieser Stelle eines der ältesten Klöster
in Westfalen, das später an das Kloster Corvey
fiel. Niedermarsberg entwickelte sich zu einem Handelsort, war aber
politisch abhängig von Obermarsberg. Bedeutend war in der Gegend
seit dem frühen Mittelalter der Bergbau und die Verarbeitung von Erzen.
Quelle und mehr
Vorbei an Westheim mit seinen Diemelstaustufen, an Wrexen, wo wir die A 44
unterqueren und wo der Hessische
Radfernweg HR6 beginnt, über Scherfede und den schmucken Luftkurort Germete
erreichen wir die frühere Hansestadt Warburg. Von der Diemelbrücke aus
bietet sich das imposante Panorama einer an den Berg gebauten Stadt. Mit
dem Fahrrad ist man in wenigen Minuten auf dem Platz Am Markt. Geht man um
das Rathaus herum, belohnt einen der Panoramablick auf Kirch- und
Wehrtürme aus unmittelbarer Nähe.
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"Was sollen die ganzen Fahrräder hier? Ich nehme
mein Auto doch auch nicht mit in die Bahn!"
Dummer Spruch eines Reisenden, der im Fahrradabteil
saß und verhinderte,
dass die Fahrräder ordentlich
abgestellt werden konnten
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Nach Bad
Karlshafen
Der Diemelradweg ist, wie schon gesagt, nur knapp über 110 km lang.
Geübte Radler schaffen das an einem Tag. Aber man sollte besser etwas
mehr Zeit einplanen, da es eine Menge zu sehen gibt. Vor allem die
schönen Ausblicke, zum Beispiel auf den von einer Burg gekrönten
Deseberg bei Warburg, sollte man in sich aufsaugen.
Kurz
hinter dem malerischen Viadukt bei Haueda - kurz vor Liebenau -, der sich anmutig in der Diemel
spiegelt, verliert unser Mitfahrer seine Pedale. Nach einigen Kilometern
"ohne" stoßen wir auf einen alten Bauernhof und einen Kiosk.
Inhaber Rudi gibt uns den heißen Tipp, dass ein Mädel auf dem Bauernhof
mit alten Fahrrädern bastelt. Zehn Minuten später ist die Ersatzpedale
montiert und die hilfreiche Dame um die zunächst strikt abgelehnte Spende
von fünf Euro reicher.
Ein mächtiger Baum überragt das Diemelufer an der Brücke von Lamerden:
die Friedenseiche von 1872. Bei Eberschütz mit seinen bekannten Klippen
donnert die Bahn durchs Tal und wirkt in der weiträumigen Landschaft doch
wie ein Modellbahnzug. Wir passieren Schloss Stammer, wo heute Senioren
residieren, und schauen uns auf dem zum Paddlerparadies umfunktionierten
Gutshof um. Von dort hat man einen schönen Blick auf die Trendelburg,
die wir bald zwischen leuchtenden Rapsfeldern passieren.
Bei
Trendelburg wurde im September 2014 ein über 160 Jahre alter
Eisenbahntunnel für Fahrradfahrer und Wanderer freigegeben. Damit erhält
der Hessische
Radfernweg R4 - hier zugleich Diemelradweg - eine neue Attraktion.YouTube-Video
Nun sind es nur wenige Kilometer, bis wir das Wasserschloss Wülmersen
erblicken, wo gerade die Akteure mittelalterlicher Ritterspiele fleißig
übern. Aus dem Kellerverließ ertönt lautes Kampfgeräusch ... Noch eine
Diemelschlinge weiter sehen wir die Krukenburg, die unseren Zielort, das
schmucke Helmarshausen kurz vor Karlshafen, überragt. Das Quartier ist
schnell gefunden, so dass reichlich Zeit für einen ausgiebigen
Ortsrundgang bleibt. Ein kleiner, gemütlicher Ort, der mich ein wenig an
die vielen kleinen Weindörfer an Rhein und Mosel erinnert.
Der Landgraf-Carl-Kanal
verläuft als schmaler Wasserweg südlich des Ortes Helmarshausen und des
Flusses Diemel durch die Wiesenlandschaft. Er sollte Carlshafen mit der
Residenzstadt Kassel auf dem Wasserwege verbinden. Einige Wehre und
Schleusen zwischen Bad Karlshafen und Trendelburg sind noch Relikte dieses
ehrgeizigen Projektes aus der Bauzeit um 1710 / 1730, das jedoch nicht
vollendet wurde. Im Bereich Helmarshausen gibt es noch entsprechende
bauliche Anlagen (Wehre) sowie Wassermühlen aus späterer Zeit. Quelle:
Wikipedia
Heimfahrt
nach Hannover
Von Helmarshausen erreichen wir über das sehenswerte Bad Karlshafen, das
ebenfalls noch in Hessen liegt, wieder niedersächsisches Gebiet. An der
Weser entlang, unserer "Hausstrecke", fahren wir nach Hagenohsen
und biegen ab gen Springe, wo wir zum günstigen Großraumtarif
(Fahrräder sind sonntags frei) über Hannover nach Burgdorf heimkehren.
Fazit:
Drei erlebnisreiche Tage, die uns zeigten, dass es noch viele
unentdeckte Perlen unter den deutschen Radrouten gibt. Die Diemel sollte
man sich als naturliebender Radler nicht entgehen lassen. Vor allem dann,
wenn man in der Nähe beheimatet ist.

Sehenswert: Bad Karlshafen an der Mündung der
Diemel in die Weser.
Literatur
Diemel-Radweg, Radwanderkarte BVA-Spiralo, 1:50.000
weitere Infos und
Bestell-Link
Etappen
Bahnanreise von Burgdorf über Hannover, Altenbeken, Warburg und
Brilon-Wald nach Willingen (4 x umsteigen !!!)
Tag 1: Von Willingen/Upland nach Heringhausen 30 km
Tag 2: Von Heringhausen nach Helmarshausen 96 km
Tag 3: Von Helmarshausen nach Springe 115 km
gesamte Diemeltour: 126 km inkl. Quelle
Weitere
Radelbücher und Karten hier

Diemel-Idyll - auch ein
Paddelparadies.

Marsberg: Steile Straße nach
Obermarsberg.

Padberg erreicht man nach einer langen
Steigung.
500
km durch Westfalen - Übersicht
DVD mit über 300 Bildern von der Diemelradtour
hier Trailer
zur DVD bei YouTube:
Von Willingen zum Diemelsee
Teil 2: Rausch in
Gelb
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Spickzettel
Route: Diemelradweg
Start/Ziel: Willingen/Upland (Hessen), Weser
Bahnanreise: Willingen, Bad Karlshafen/Weser
Länge: 126 km; Etappen
Schwierigkeit: stärkere Steigung bei Padberg, kurze Steigungen bei
Trendelburg; durchweg gute Wegequalität, bei Nässe im unteren Teil ab
Trendelburg evt. aufgeweichte Waldwege
Übernachten: Quartiere
Internet: offizielle Homepage
Radwanderführer: siehe unten

Der Viadukt von Willingen/Upland (Hessen).

Die Diemelquelle.

Viele
gemütliche Einkehrmöglichkeiten warten am Diemelradweg. Im Winter wird
beim Hüttenschorsch allerdings Ski gelaufen. 
Blumenwiesen
und schöne Ausblicke - und vom Tal her rauscht die Diemel. 
Schmucke
Dörfer bieten Abwechslung. 
Abendstimmung
am Diemelsee. 
Hessens
längste Bank steht in Heringhausen.
 Blick
aufs malerische Warburg.

Die Ruine grüßt vom Desenberg bei Warburg.
 Diemel-Spiegeleien:
Viadukt bei Haueda.
 Eine
Vegatation wie im Altmühltal - und sogar ähnliche Felsformationen findet
man bei Eberschütz. 
Blick
auf die Trendelburg. 
Helmarshausen mit der Krukenburg ist in
Sicht.
Das Radwanderbuch zur Tour

mehr
Bücher und Radwanderkarten |