Schmerzen beim Radfahren
Pressedienst Fahrrad gibt hilfreiche Tipps Zehn
Probleme – und was man dagegen tun kann Quelle: https://www.pd-f.de/2022/03/09/zehn-schmerzen-beim-radfahren-und-was-man-dagegen-tun-kann_16985 1)
Genital- und Poschmerzen Schmerzen
im Genital- und Gesäßbereich sind vermutlich bei jeder oder jedem
schon einmal aufgetreten. Da der Kontaktpunkt Sattel-Gesäß den Großteil
des Gewichts während der Fahrt trägt, sind Poschmerzen bei den ersten
Touren aufgrund mangelnder Gewöhnung obligatorisch. Mit der Zeit und
vielen Kilometern ändert sich das und das Gesäß gewöhnt sich an die
anfänglich ungewohnte Belastung. Treten weiterhin Probleme auf, kann es
sich um einen falschen Sattel handeln. „Dass der von vornherein
verbaute Sattel auch passt, ist ein Glücksspiel. Die Investition in
einen neuen Sattel ist deshalb immer zu überlegen. Bei Schmerzen
im Genitalbereich lohnt sich beispielsweise ein Sattel mit
Entlastungszonen und Aussparungen“, rät Dr. Kim Tofaute.
Kaufinteressierte sollten bei der Auswahl zudem Form, Größe,
Geschlecht und Fahrstil einbeziehen. Für die Tour hat der Fachmann auch
einen Tipp: „Hin und wieder aus dem Sattel gehen und das Gesäß
entlasten.“ Zudem spielt die Kleidungswahl eine wichtige Rolle: Jeans
können aufgrund ihrer Nähte auf längeren Touren zu Reibungen führen.
„Radhosen sind zu empfehlen oder Sportunterwäsche ohne Nähte. Dann
drückt auch nichts.“ 2)
Rückenschmerzen Rückenschmerzen
gehören ebenfalls zu den typischen Problemen beim Radfahren und treten
speziell auf ersten längeren Touren auf. „Der Körper muss sich auf
anfänglich ungewohnte Belastungen einstellen. Also lieber häufiger
fahren und Pausen machen, als gleich mit einer Gewalttour starten“,
sagt Tofaute. Außerdem sei auf einen geraden Rücken und eine
entspannte Haltung zu achten. „Es lohnt
sich, die Einstellung des Rades zu überprüfen. Oft sind es nur kleine
Punkte, die geändert werden müssen. Dabei unterstützen
Video-Tutorials oder spezielle Tools, wie zum Beispiel die
Fitting-Box“, so der Experte. Sein Tipp für unterwegs: Pausen machen
und dabei den Rücken entspannen oder leichte Rückenübungen machen. 3)
Nackenschmerzen Der
Nacken gehört vor allem für Menschen mit sitzender Tätigkeit zu den
Problembereichen. Nicht nur beim Radfahren ist es deshalb wichtig, den
Nackenbereich regelmäßig zu entspannen. „Eine Nackenmassage oder
spezielle Gymnastik abseits des Rades bewirkt schon erste Besserung“,
meint der Experte. Regelmäßige Pausen, etwa jede halbe Stunde, oder Änderungen
der Griffposition können während der Tour Abhilfe schaffen. Ein
weiteres Problem kann laut Tofaute der Helm
sein:
„Wenn der Helm nicht richtig passt, hält man den Kopf unbewusst
schief, was schlecht für den Nacken ist.“ Außerdem rät der Experte
gerade im Frühjahr
dazu, ein leichtes Halstuch zu tragen: „Das minimiert die Zugluft und
verhindert eine Auskühlung.“ 4)
Taube Hände Lastet
zu viel Druck auf den Händen oder ist das Handgelenk abgeknickt, können
Hände und Finger während der Radtour schnell taub werden. Mit
steigendem Alter kommt die Problematik eines Karpaltunnel-Syndroms
hinzu. „Um die Problembereiche zu stärken, bietet sich
Fitnesstraining wie Yoga oder Gymnastik an. Jeden Tag eine Übung kann
schon helfen“, so Tofaute. Er empfiehlt zusätzlich einen Wechsel zu
ergonomischen Griffen mit einer größeren Auflagefläche und Hörnchen,
sogenannten „Barends“, für unterschiedliche Griffpositionen.
„Auch sollte man über einen Lenkertausch nachdenken. Viele
Trekkingbikes haben sportliche Mountainbike-Lenker.
Ein etwas gebogenerer Lenker sorgt dafür, dass Druck von den Händen
genommen wird.“ Gepolsterte Handschuhe sind ebenfalls eine Option und
schützen zudem bei einem Sturz vor aufgeschürften Händen. 5)
Knieschmerzen Knieschmerzen
sind in der Regel eine Einstellungssache. „Speziell viele
E-Biker:innen haben den Sattel falsch eingestellt und sitzen zu tief.
Ein richtig eingestellter Sattel sorgt dafür, dass der Druck auf die
Knie minimiert wird“, erklärt der Experte. Zur besseren Kraftübertragung
und für eine große Standfläche rät er, möglichst breite Pedale und
feste Schuhe zu kombinieren. Außerdem sollte nicht mit zu schweren Gängen
gefahren, sondern vielmehr auf eine hohe Trittfrequenz geachtet werden. 6)
Muskelkater Schon
während der Tour wird das Treten schwerer, die Oberschenkel brennen –
den Muskelkater spürt man dann aber erst richtig am nächsten Tag.
Dieser Effekt kann laut Tofaute zwei Gründe haben: erstens eine Übersäuerung,
weil man sich bei der Tour überschätzt hat. Zweitens mangelnde
Bewegung, weil der Körper die Belastungen noch nicht kennt. Beides kann
man schnell steigern, wenn man öfter das Rad nutzt. Dennoch rät der
Experte zu einem langsamen Herantasten: „Zwischendurch auch während
der Fahrt einmal die Beine lockern und bei Pausen dehnen oder hochlegen.
Auf gute Regeneration nach der Tour achten. Auch
beginnt man bei Überanstrengung stark zu schwitzen. Dagegen hilft viel
zu trinken, um so für eine gute Durchblutung zu sorgen.“ 7)
Taube Füße Laut
Tofaute können taube Füße oftmals mit falschen Schuhen zusammenhängen.
Zu kleine Schuhe sorgen für Druckstellen. „Füße
schwellen zudem während der Fahrt etwas an. Nachschnüren lohnt sich
deshalb oder die Schuhe während einer Pause ausziehen und so die
Durchblutung fördern“, sagt Tofaute. Gerade Frauen leiden bei Touren
oft unter kalten Füßen, was sich auf die Kraftübertragung auswirkt.
„Frischhaltefolie um die Fußspitzen oder ein bisschen Zeitung im
Schuh sorgt dafür, dass die Füße nicht so schnell auskühlen“, so
ein Insider-Tipp des Ergonomie-Experten. Für bessere Kraftübertragung
und Entlastung der Füße sorgen
spezielle ergonomische Fahrradschuheinlagen oder richtig eingestellte
Klickpedale, für die es übrigens ebenfalls spezielle Einstellhilfen
gibt. „Taube Füße können aber auch auf eine zu stark geneigte
Sattelnase zurückgehen. Daraus resultiert eine ungeeignete Hüftstellung,
wodurch die Nerven komprimiert werden.“ Auch eine falsche Sitzhöhe
kann Probleme in diesem Bereich bereiten. 8)
Beckenschmerzen Beckenschmerzen
können unterschiedliche Ursachen haben, z. B. drückt der Sattel zu
stark in die Weichteile oder das Becken wird beim Pedalieren verdreht.
„Deshalb ist es wichtig, dass die Sitzposition stimmt. Nicht nur in
der Höhe, sondern auch die Sattelneigung muss passen“, so der
Experte. Außerdem seien viele Radfahrende einfach zu „hüftsteif“.
Mit Dehnübungen und Gymnastik wird die Muskulatur gestärkt und
Schmerzen verhindert. „Tägliches Dehnen von zwei Minuten ist dabei
ausreichend. Das
kann jede:r zu Hause machen.“ Wenn Schmerzen bei einer Tour auftreten,
die Übungen einfach bei Pausen einstreuen. Sollten die Schmerzen jedoch
chronisch werden, ist medizinischer Rat gefragt. 9)
Unspezifische Schmerzen Der
ganze Körper schmerzt, man fühlt sich schlapp, hat aber keine Ahnung,
warum das so ist? „In diesem Fall sollte man darauf achten, dass man während
der Tour genügend isst und trinkt“, meint Tofaute. Wenn die Probleme
häufiger auftreten, sollten man sie genau lokalisieren und näher
untersuchen lassen. Es können beispielsweise auch Schäden am Herz die
Ursache sein. Dann am besten einen Arzt konsultieren. „In so einem
Fall bloß nicht auf Dr. Google hören“, warnt der Fachmann. 10)
Ermüdung Bei
den ersten Touren nach dem Winter ist auf einmal der Punkt erreicht, an
dem man nicht mehr weiterkommt und keine Kraft auf die Pedale bringt.
Sportler:innen sprechen dann gerne vom „Blaufahren“, der Körper ist
also so ermüdet, dass er keine Kraft mehr aufbringen kann. „Viele schätzen
sich falsch ein und wissen nicht, wo die Grenzen liegen. Deshalb sollte
man lieber mit kleinen Touren anfangen, Lockerungen und Pausen einplanen
und dabei viele Kohlenhydrate wie Müsliriegel und Sportnahrung zu sich
nehmen“, rät Tofaute. Aber auch die Intensität der Tour kann die Ermüdung
nach hinten schieben. „E-Biker:innen können beispielsweise
eine andere Unterstützung wählen oder anders schalten, um einen
anderen Trainingseffekt zu erzielen. Im Grund steht eines über allem:
Spaß haben.“ Zur
Person: Dr.
Kim Tofaute studierte Sportwissenschaft an der Deutschen Sporthochschule
in Köln und war von 1998 bis 2004 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig.
In dieser Zeit befasste er sich intensiv in einem Forschungsprojekt
unter Leitung von Prof. Dr. Ingo Froböse mit dem Thema Ergonomie beim
Radfahren. Anschließend übernahm er die Leitung der
Produktentwicklungsabteilung bei Ergon,
einem Hersteller von ergonomischen Komponenten wie Sätteln und Griffen. Mittlerweile
leitet der 51-Jährige sein eigenes Bikefitting-Studio, ist weiterhin in
der Entwicklung von Ergon aktiv und war federführend bei der
Entwicklung der Fitting-Boxen, die bei der ergonomischen Einstellung der
Sitzposition helfen. Zusätzlich ist er ein erfolgreicher
Langstrecken-Mountainbiker. Thomas Geisler / pressedienst-fahrrad - 9. März 2022 |
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