ADFC-Jahresbilanz
2020 Die
Verkehrswende steckt im Stau Das Fahrrad boomte im
Corona-Jahr. Nie wurden mehr Fahrräder verkauft als 2020, nie
entdeckten so viele Menschen das Radfahren neu für sich, als während
der Pandemie. Dennoch zieht der Fahrradclub ADFC eine ernüchterte
Bilanz. ADFC-Vizebundesvorsitzende
Rebecca Peters sagt: „Eigentlich stehen alle Zeichen auf Grün für
den Radverkehr. Immer mehr Menschen wollen im Alltag das Auto gern häufiger
gegen das Rad eintauschen. Erstmals gibt es richtig Geld vom Bund für
den Radwegebau in den Kommunen. Die Politik überschlägt sich mit
Empfehlungen zum Radfahren. Selbst der ADAC sagt, dass die Radwege in
Deutschland schlicht unterdimensioniert sind. Und dennoch kommt die
Verkehrswende mit der Neuverteilung des Straßenraums nicht aus den
Startlöchern. Politische Mutlosigkeit in Stadträten und
Verkehrsverwaltungen sind die Hauptursache des Problems. Verstärkt wird
die Blockade durch lautstarke Auto-Traditionalisten, die mit Klauen und
Zähnen ihr eingebildetes Recht verteidigen, vor jedem beliebigen Ziel
parken zu dürfen – am besten gratis und über zwei Parkplätze
hinweg, weil die immer größeren Autos nirgendwo mehr hineinpassen. Den
Ländern und Kommunen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und
Fahrrad, Fuß und Nahverkehr mehr Platz und Priorität in der
Stadtplanung einräumen, gratulieren wir ausdrücklich zu einer
zukunftsorientierten Politik. Den anderen rufen wir zu: Fangt endlich
an! Auto-first-Politik war gestern – die Menschen wollen gute
Alternativen!“ Bundesregierung
verfehlt NRVP-Ziel Der
ADFC kritisiert auch die Nicht-Erreichung selbst der ambitionslosen
Ziele des jetzt ablaufenden Nationalen Radverkehrsplans (NRVP)
2020. Damit hatte die Bundesregierung einen deutschlandweiten
Radverkehrsanteil von 15 Prozent am Gesamtverkehr angestrebt. Zum
Vergleich: Die Niederlande haben einen Radverkehrsanteil von 27 Prozent.
Hierzulande tatsächlich erreicht wurden nach letzten
Studien elf Prozent, das
entspricht einem Prozentpunkt Wachstum in zehn Jahren NRVP-Laufzeit.
Deutliche Wachstumsraten beim Radverkehr haben nur die Stadtstaaten
Bremen, Berlin und Hamburg. Marginal verbessern konnten sich
Niedersachen, Schleswig-Holstein, Bayern, Baden-Württemberg,
Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern.
Bedenklich ist die Entwicklung mit rückläufigem Radverkehrsanteil in
Sachsen-Anhalt, Thüringen und besonders in Brandenburg. Das Saarland
stagniert mit kläglichen drei Prozent Radverkehrsanteil auf dem letzten
Platz. Peters: „Es reicht nicht, wenn das
Bundesverkehrsministerium unverbindlich auf mögliche Wachstumsraten
beim Radverkehr hinweist und den alten NRVP als weitgehend umgesetzt
erklärt. Wir brauchen klar messbare Ziele, eine Verstetigung der
Bundesmittel und ein verbindliches Maßnahmenprogramm für den Bau von
Qualitätsradinfrastruktur durch Bund, Länder und Kommunen. Auch ein
bundesweites Monitoring des Radwegebaus fehlt bisher. Daran wird sich
der künftige NRVP 3.0 messen lassen.“ Gut:
Fahrradprofessuren und Sonderprogramm Stadt + Land Positiv hebt der ADFC die Finanzierung von Stiftungsprofessuren Radverkehr durch das Bundesverkehrsministerium hervor. Einen deutlichen Schritt nach vorn markiert auch das Klimapaket mit seinem Bekenntnis der Bundesregierung zum kraftvollen Ausbau der Radinfrastruktur zulasten von Kfz-Flächen sowie das damit verbundene Sonder-Investitionsprogramm Stadt + Land und weitere Mittel für Modellprojekte, Radschnellwege und das touristische Radnetz Deutschland. Damit hat der Bund seine Investitionen in den Radverkehr bis 2023 verdreifacht. Peters: „Leider geht es trotz gutem Willen viel zu langsam voran. Nach einem Jahr sind die Fördervoraussetzungen für das Sonderprogramm jetzt fertig, aber viele Kommunen haben weder die personellen noch konzeptionellen Voraussetzungen dafür geschaffen, um das Geld des Bundes für den Radwegebau zu beantragen und verbauen zu können. So bleibt das Fahrradland Deutschland noch lange eine Großbaustelle.“ |
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(Berlin, 28. Dezember 2020) | |